Ein Jubiläum ohne Grund zum Feiern – 20 Jahre Euro-Bargeld

„Eine stabile Währung ist und bleibt die entscheidende Grundlage für die Zukunft unseres Landes“

, versprach der überzeugte Europäer und Altkanzler Helmut Kohl in den 90er Jahren. Für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung hatte der französische Staatspräsident Francois Mitterand bereits 1989 eine beschleunigte Einführung der Europäischen Währungsunion verlangt. Kohl wusste zu gut, welche Überzeugungsarbeit er bei den Deutschen zu leisten hatte, galt doch die D-Mark als das Symbol des Wirtschaftswunders und als eine der weltweit stabilsten Währungen mit hohem Vertrauen.

Die CDU verhandelte mit Finanzminister Theo Waigel in den 90er-Jahren hart und zumindest inhaltlich erfolgreich mit den europäischen Partnern. Es entstanden die Maastricht-Verträge, die eine solide Haushaltsführung der Euro-Mitgliedsländer und eine erträgliche Verschuldung der Vertragsstaaten garantieren sollten. Die 1998 gegründete Europäische Zentralbank (EZB) sollte im Geiste der Deutschen Bundesbank stabilitätsorientiert und unabhängig von der Politik weitergeführt werden. Doch selbst das überzeugte viele skeptische Bundesbürger nicht und so warb die CDU 1999 mit einem damals vielversprechenden Plakat:

Am 1. Januar 1999 wurde der Euro für zunächst elf Nationen als Buchgeld eingeführt. Drei Jahre später folgte die Bargeldeinführung, heute ist der Euro in 19 europäischen Ländern mit 340 Mio. Bürgern die offizielle Währung.

Anfangs schien der Euro sich zu einer Erfolgsgeschichte zu entwickeln. Die Wirtschaft berichtete über ökonomisch sinnvolle Vereinfachungen und viele Vorteile im innereuropäischen Handel. Und selbst die Deutschen begannen sich für den Euro zu erwärmen, der lästige Umtausch von DM in Gulden, Lire oder Pesetas vor dem Urlaubsantritt entfiel. Im südeuropäischen Raum entstand ein Boom, kamen doch plötzliche ehemalige Hochzins-Länder wie Italien, Portugal oder Spanien in den Genuss deutlich gesunkener Zinsen. Die hervorragende Bonität Deutschlands strahlte auf andere Euroländer ab, man konnte sich auf einmal mehr leisten als vorher und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Lohn- und Gehaltssteigerungen in Südeuropa lagen deutlich über dem Produktivitätsfortschritt, viele Länder verloren an Wettbewerbsfähigkeit. In Spanien gab es einen Scheinboom am Immobilienmarkt, der 2008 platzte und die ganze Wirtschaft an den Abgrund führte. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist unsere Gemeinschaftswährung und bis heute im Dauerkrisen-Modus.

Die Suche nach „Schuldigen“ gestaltet sich aber nicht so einfach wie man denkt. Man erinnere sich an das Bild im September 1984 von Kohl und Mitterand Hand in Hand auf einem Soldatenfriedhof in Verdun. Beide waren knallharte Realpolitiker, aber auch überzeugt, dass der Euro ein Friedensprojekt sein könnte und Krieg in Europa für alle Zeiten unmöglich gemacht werden sollte. Und bevor wir uns über andere Eurostaaten echauffieren, sei erinnert, dass wir es waren, die von 2002 bis 2005 unter Kanzler Schröder zum ersten Mal gegen die Maastricht-Schuldengrenzen verstießen und uns so als gutes Vorbild disqualifizierten.

Angela Merkel düstere Prophezeiung „Scheitert der Euro, scheitert Europa!“

Am 19. Mai 2010 hielt die damalige Bundeskanzlerin im Bundestag eine Brandrede, es ging um einen ersten Rettungsschirm für notleidende Euroländer in Höhe von damals astronomisch und heute eher überschaubar scheinenden 750 Mrd. € für notleidende Eurostaaten. Das Kind war schon in den Brunnen gefallen, die Ungleichgewichte zwischen den Euro-Mitgliedsstaaten war immer mehr zutage getreten und Griechenland faktisch pleite. Die große Finanzkrise war nicht einmal 2 Jahre vorbei, in Folge der Lehman-Pleite mussten auch in Europa Finanzinstitute mit Billionenbeträgen gerettet werden. Das Finanzsystem stand 2008 kurz vor der Kernschmelze und nun drohte dasselbe Szenario aufs Neue, Zahlungsausfälle bei europäischen Staatsanleihen und Schieflagen bei Banken. Die Griechenland-Rettung war vor allem eine Rettung der Gläubiger, aber auch ein nächster Dammbruch.

Die Lissabon-Verträge regeln in § 125 mit der Nichtbeistands- (No-bail-out)-Klausel, dass im Euroraum kein Land einem anderen beisteht, wenn dieses seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen kann. Neben den Maastricht-Kriterien (öffentliches Defizit maximal 60 % des BIP, Neuverschuldung maximal 3 % des BIP p.a.) war auch die nächste Schutzmauer für einen stabilen Euro gefallen. Später fiel dann auch wie von Kritikern befürchtet ein weiteres Kriterium. In den Artikeln 310 und 311 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist eine gemeinsame Schuldenaufnahme verboten. Letztlich sind wir aber längst in einer Haftungsunion angekommen.

Seit einigen Jahren ist es aber noch schlimmer, die Europäische Zentralbank hat längst die versprochene Unabhängigkeit von der Politik verloren. Viele Eurostaaten sind inzwischen so hoch verschuldet, dass sie sich am freien Kapitalmarkt über Anleiheemissionen kein zusätzliches Geld mehr beschaffen können. Die EZB ist in die Bresche gesprungen und kauft seit Langem Staatsanleihen auf, die Bilanzsumme ist darüber auf inzwischen auf rd. 8,5 Billionen Euro explodiert:

Die Gemeinschaftswährung Euro und die Solvenz ihrer Mitgliedsländer ist heute nur noch über eine Zentralbank-Planwirtschaft zu halten. Mit Nullzinsen müssen die laufenden Zinsverpflichtungen der Staaten auf ein Minimum gesenkt werden, weil die laufenden Steuereinnahmen nicht ausreichen. Daher muss auch die derzeit grassierende Inflation klein geredet werden, eigentlich würden die jetzigen Inflationsraten längst deutlich höhere Zinsen erfordern. Die Haushaltsdisziplin der Mitgliedsländer ist über die Jahre vollständig verloren gegangen, mit Corona-Maßnahmen können jetzt alle neuen Schulden sogar „elegant“ begründet werden. Und Deutschland ist längst Teil einer Haftungs- und Schuldenunion. Ärger mit dem mit Abstand schlimmsten Schuldensünder im Euroraum Frankreich ist vorprogrammiert, Frau Lagarde als EZB-Präsidentin ist Französin und unterstützt Macron bei dessen Ansinnen, auch formal künftig noch mehr gemeinsame Schulden aufnehmen zu können. Der Euro wird zum Spaltpilz in Europa, Deutschland auch über das Target 2-System sein Zahlmeister.

Die Geschichte kennt genug warnende Beispiele – Wollte das niemand sehen?

Währungsunionen sind historisch immer gescheitert. So gab es zwischen 1865 und 1926 die lateinische Münzunion mit Frankreich, Belgien, Schweiz, Italien und später Griechenland. Schweden und Dänemark bildeten ab 1872 die skandinavische Münzunion, ab 1877 auch mit Norwegen. Dieses Projekt wurde 1931 beendet. Auch Kronen- und Rubelzonen scheiterten. Schon dieser Umstand hätte den Politikern Mahnung genug sein können. Die Kritiker der Euro-Einführung mußten sich aber als Angstmacher, anachronistische Reaktionäre, Nationalisten oder D-Mark-Chauvis beschimpfen lassen.

Alexander Hamilton ist einer der Gründerväter der USA und war Finanzminister im Kabinett von George Washington. Noch heute ziert sein Konterfei die 10 Dollarnote der Amerikaner. Im Jahr 1790 traf Hamilton eine verheerende Entscheidung. Unter dem Eindruck, dass der junge und starke Zentralstaat USA vieles schultern und die Wirtschaft in den Bundesstaaten ankurbeln sollte, wurden die Schulden der Einzelstaaten zu Bundesschulden gemacht. Die Folgen waren ähnlich wie heute im Euroraum kreditfinanzierte Infrastrukturprogramme bei viel zu niedrigen Zinsen und eine finanzielle Sorglosigkeit.

In den 1830er-Jahren platzte die Wirtschaftsblase, 1837 crashte die Börse und es kam eine tiefe Rezession. 1841 mussten Florida, Arkansas, Indiana und Mississippi sich für zahlungsunfähig erklären, ein Jahr später meldeten 9 der damals 29 Bundesstaaten Konkurs an. Der renommierte Historiker Harold James von der Princeton-University geht sogar so weit, dass er die Schuldenproblematik als einen wichtigen Auslöser des amerikanischen Bürgerkrieges analysiert. Seit diesen Ereignissen haben die USA entschieden, dass es keine Schuldensozialisierung mehr gibt. Als Kalifornien vor einigen Jahren pleite war, halfen weder Washington noch die US-Notenbank FED. Wenn die größte Volkswirtschaft der Erde eine Gemeinschaftshaftung ablehnt, dann muss Europa daraus lernen. Deshalb beunruhigt es, mit welcher Nonchalance wieder Gemeinschaftsschulden aufgenommen werden. Und wir sind in Europa nicht ein Land wie die USA, sondern viele Länder mit teilweise problematischen Geschichtsbeziehungen.

Bis heute wird uns Deutschen die Mähr verkauft, der Euro sei eine Erfolgsgeschichte und speziell die deutsche Exportindustrie ein Profiteur, weil für Deutschland der Eurokurs einfach zu niedrig sei. Diese Einschätzung lässt sich aber nicht halten. So hat z.B. die Schweiz seit Jahrzehnten einen teuren Schweizer Franken und trotzdem eine hohe Produktivität, prosperierende international tätige Unternehmen und Deutschland beim BIP pro Kopf längst überholt. Gerade das Gegenteil ist der Fall, zu DM-Zeiten mußte die deutsche Wirtschaft ständig innovativ sein und Produktivitätsfortschritte erzielen, um mit der stabilen Währung erfolgreich zu sein. Seit 2008 entwickelt sich die Produktivität in Deutschland seitwärts, obwohl der digitale Fortschritt schon alleine massive Steigerungen hätte möglich machen müssen.

Unsere Währung ist wie alle anderen großen Währungen sog. Fiat-Money, also aus dem Nichts geschaffenes staatlich monopolisiertes Geld. Der Euro ist zum Spielball nationaler Interessen verkommen und birgt viel Potenzial für künftige Konflikte, unser Währungsraum ist eben nicht homogen.

FAZIT:

Das Menetekel von Angela Merkel kann durchaus noch wahr werden. Man darf skeptisch sein, ob das Euro-Experiment noch lange gut geht. 20 Jahre Euro-Bargeld sind leider kein Grund zum Feiern. Unsere Gemeinschaftswährung bleibt latent gefährdet und Geldvermögen wie Sparbücher, Lebensversicherungen oder Festgeld sind zinsloses Risiko. Als Privatanleger sollte man daher Sachwerte für faire Preise kaufen, solange es noch geht.